Der Begriff „Heide“ stammt aus der christlichen Tradition und wird verwendet, um Personen zu bezeichnen, die nicht an den Gott der Bibel glauben oder die nicht dem jüdischen oder christlichen Glauben angehören. Im ursprünglichen biblischen Kontext, insbesondere im Alten Testament, bezieht sich der Begriff auf die nicht-israelitischen Völker, die polytheistische Religionen praktizierten und nicht den Gott Israels verehrten. Der hebräische Begriff „goyim“, der in vielen Bibelübersetzungen als „Heiden“ wiedergegeben wird, bedeutet wörtlich „Nationen“ oder „Völker“ und bezeichnete in erster Linie die ethnischen Gruppen außerhalb Israels, die oft als Gegner oder Bedrohung für das Volk Gottes gesehen wurden.
Im Alten Testament steht die Unterscheidung zwischen Israel, dem erwählten Volk Gottes, und den Heiden im Mittelpunkt. Israel hatte einen exklusiven Bund mit Gott, der auf den Geboten und den Propheten beruhte, während die Heiden als diejenigen galten, die außerhalb dieses Bundes standen. Diese Völker wurden oft mit ihren Götzendiensten und heidnischen Praktiken in Verbindung gebracht, die im Widerspruch zu den monotheistischen Überzeugungen Israels standen. Die Bibel enthält zahlreiche Ermahnungen an das Volk Israel, sich nicht mit den Heiden und ihren Götzen zu vermischen, um die Reinheit des Glaubens und der Anbetung des einen wahren Gottes zu bewahren. Ein Beispiel hierfür ist die Warnung in 5. Mose 7,3-4, wo das Volk Israel aufgefordert wird, keine Ehen mit den Heiden einzugehen, damit sie nicht zur Anbetung falscher Götter verführt werden.
Im Neuen Testament nimmt der Begriff „Heide“ eine neue Bedeutung an, insbesondere im Kontext der Ausbreitung des Evangeliums durch die Apostel. Während Jesus selbst vor allem zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt wurde (Matthäus 15,24), öffnete die Mission der frühen Kirche die Tür zur Evangelisation der Heiden. Der Apostel Paulus, der sich selbst als „Apostel der Heiden“ bezeichnet (Römer 11,13), spielte eine Schlüsselrolle bei der Verkündigung des Evangeliums an die nichtjüdischen Völker. Paulus argumentierte, dass durch den Glauben an Jesus Christus die Heiden in den Bund mit Gott aufgenommen werden und so zu „Miterben“ der Verheißungen Gottes an Israel werden (Epheser 3,6). Diese theologische Entwicklung führte zu einer neuen Sichtweise: Die Heiden waren nicht mehr zwangsläufig Außenseiter, sondern konnten durch den Glauben an Christus vollwertige Mitglieder der christlichen Gemeinschaft werden.
Ein zentrales Ereignis, das diese Veränderung symbolisiert, ist das sogenannte „Apostelkonzil“ in Jerusalem (Apostelgeschichte 15). Dort entschieden die Apostel, dass die Heiden nicht die jüdischen Gesetze, wie die Beschneidung, befolgen mussten, um Christen zu werden. Diese Entscheidung war revolutionär, da sie den Weg für die Inklusion der Heiden in die christliche Gemeinschaft ebnete, ohne dass sie die jüdischen religiösen Vorschriften einhalten mussten. Es war ein entscheidender Moment in der Geschichte des frühen Christentums, der die universale Dimension des christlichen Glaubens unterstrich.
Im Laufe der Kirchengeschichte wurde der Begriff „Heide“ jedoch häufig verwendet, um Menschen zu bezeichnen, die als religiös unzivilisiert oder als außerhalb der göttlichen Gnade stehend betrachtet wurden. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurde er oft abwertend gegenüber Menschen anderer Religionen, insbesondere gegenüber Muslimen, aber auch gegenüber indigenen Völkern in neu entdeckten Gebieten, gebraucht. Missionare sahen es als ihre Pflicht an, die „Heiden“ zu bekehren und sie zum christlichen Glauben zu führen. Dies führte oft zu einer Unterdrückung und Zerstörung der einheimischen Kulturen und Religionen.
In der modernen Theologie und im interreligiösen Dialog wird der Begriff „Heide“ aufgrund seiner abwertenden und ausschließenden Konnotationen weitgehend vermieden. Stattdessen spricht man eher von „Nichtchristen“, „Angehörigen anderer Religionen“ oder verwendet spezifische Bezeichnungen für die jeweiligen Glaubensrichtungen. Dies spiegelt eine respektvollere und inklusivere Haltung wider, die den Glauben und die Überzeugungen anderer Menschen anerkennt, ohne sie herabzusetzen.
Zusammengefasst bezeichnet der Begriff „Heide“ in der Bibel und in der christlichen Tradition ursprünglich Menschen, die außerhalb des Bundes Gottes mit Israel standen und andere Götter verehrten. Im Neuen Testament erweitert sich die Bedeutung, und die Heiden werden durch den Glauben an Jesus Christus in das Heilsgeschehen einbezogen. Während der Begriff in der Kirchengeschichte oft abwertend verwendet wurde, steht er heute im Kontext eines bewussteren und respektvolleren Umgangs mit Menschen anderer Religionen unter veränderten Vorzeichen. Die zentrale Botschaft des Neuen Testaments ist, dass durch Christus alle Menschen, ob Jude oder Heide, zu Gott kommen können, was die universale Ausrichtung des christlichen Glaubens unterstreicht.